Sustainability Talk: Interview mit Marina Chahboune, Gründerin von Beyond Fashion

 

 

Was bedeutet Zirkularität? Was sind die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft? Wie können wir von einer „Take-Make-Dispose“ -Ökonomie zu einem „closing the loop“ übergehen? Wie kann ein Designer ein circular business model starten?

 

Marina Chahboune ist die Gründerin von Beyond Fashion, einem Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit. Eine Expertin für nachhaltige Textilproduktion, Innovationen und Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Hier beantwortet sie Fragen hinsichtlich einer effizienten Circular Fashion.

 

Sie haben lange als Expertin für Nachhaltigkeit gearbeitet, wie hat sich die Modeindustrie verändert?

Als Sustainability Manager arbeite ich hauptsächlich vor Ort in den Fabriken und kann definitiv bestätigen, dass sich im Laufe der Jahre viele positive Veränderungen ergeben haben. Insbesondere der Greenpeace-Bericht aus dem Jahr 2010, in dem 'das schmutzige Geheimnis hinter Jeans' aufgedeckt wurde, gefolgt von der Detox-Kampagne, hat zu großen Anstrengungen in der Branche geführt, um ihre Lieferketten zu optimieren. Der tragische Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in Bangladesch hat auf drastische Weise die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und sozialen Probleme bei der Herstellung unserer Kleidung in den Mittelpunkt gerückt und ein neues Bewusstsein bei den Verbrauchern geschaffen. Auch Soziale Medien haben sich zu einer wirkungsvollen Plattform entwickelt, in der die Verbraucher die Möglichkeit haben, besser informierte Entscheidungen beim Einkauf von Mode zu treffen, während Marken ständig Angst vor ernsthaften Imageschäden haben, indem Missbräuche in ihren Fabriken öffentlich aufgedeckt werden. Dieser ständige von Konsumenten ausgehende Druck, sowie neue branchenweite Initiativen, Kampagnen und die zunehmenden gesetzlichen Vorschriften in den Produktionsländern sind wesentliche Treiber für den Wandel. Globale Marken fordern heute häufig die Einhaltung internationaler Standards, Verhaltenskodizes und Zertifizierungen von ihren Lieferanten. Die größte Herausforderung ist jedoch immer noch der Mangel an Transparenz. Viele der großen Brands arbeiten mit Agenten und Zwischenhändlern zusammen, ohne zu wissen, welche Fabriken über die Bekleidungsherstellung hinaus für sie produzieren. Wie stellen Sie eine saubere Lieferkette sicher, ohne zu wissen, woher Ihre Rohstoffe, Garne und Stoffe stammen und ob Ihre Bekleidungsherstellung und -veredelung möglicherweise an Drittlieferanten ausgelagert wurde? Ich erlebe leider immer wieder während meiner Arbeit in den Fabriken, dass über die Forderungen der Brands nach Zertifizierungen hinaus sehr wenig Aufwand und Unterstützung geleistet wird für die Umsetzung und Einführung von Nachhaltigkeit. Die Implementierung sowie die finanzielle Belastung bleibt größtenteils der Eigenverantwortung der Fabriken überlassen, während Brands weiterhin einen enormen Preisdruck auf den Hersteller ausüben und viel zu kurze Produktionszeitspannen verlangen. Um eine Industrie zu schaffen, die nicht gegen Menschenrechte verstößt, begrenzte Ressourcen ausnutzt und unsere Umwelt verschmutzt, reicht der aktuelle Stand des Wandels nicht aus: Es bedarf eines systemischen Wandels, der neue Konzepte für die Herstellung und den Konsum unserer Kleidung beinhaltet.

 

 

"Um eine Industrie zu schaffen, die nicht gegen Menschenrechte verstößt, begrenzte Ressourcen ausnutzt und unsere Umwelt verschmutzt, reicht der aktuelle Stand des Wandels nicht aus: Es bedarf eines systemischen Wandels, der neue Konzepte für die Herstellung und den Konsum unserer Kleidung beinhaltet". 

 
 

 

Für diejenigen, die noch nicht damit vertraut sind, was sind die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft?

Die zentrale Vision der Kreislaufwirtschaft besteht darin, durch Entkopplung des Wirtschaftswachstums von der Nutzung der Endressourcen, zwei der wichtigsten negativen Auswirkungen unserer derzeitigen, umweltverschmutzenden Produktionsmethoden zu überwinden: Abfall und die enorme Ausbeutung von Primärressourcen. Kreislauffähige Mode zu kreieren bedeutet, bereits während der Produktentwicklung und des Designs, das Lebensende und mögliche Wiederverwertungsmöglichkeiten des Produktes und seiner Materialien zu berücksichtigen. Der Grundgedanke ist es, alles wiederzuverwenden, dass bereits da ist, das traditionellen Konzept der aktuellen Definierung von Müll zu hinterfragen und zu erkennen, dass alles einen Wert hat

 

"Nur weil es keinen Wert mehr für einen Selbst hat, bedeutet das nicht, dass es nicht von jemand anderem möglicherweise noch gerne getragen werden würde".

 

Welche Anleitung können Sie hinsichtlich eines Übergangs von einer "Take-Make-Dispose" -Ökonomie hin zu einer "closing the loop" Strategie geben?

Der erste Schritt ist immer zu schauen, wie kann ich mein Kleidungsstück am Besten sorgfältig behandeln, so dass es so lange wie möglich verwendet werden kann. Wie wasche ich es richtig? Kann es repariert werden, wenn es kaputt ist? Könnte ich es wohlmöglich umgestalten, falls mir die Passform oder der Schnitt nicht mehr zusagt? Und wenn dann wirklich der Zeitpunkt erreicht ist, an dem man keinen Gefallen mehr an dem Kleidungsstück findet: Werft es nicht weg, sondern gebt es zur Wiederverwendung in verfügbare Rücknahmesystem, wie z. B. viele Shops sie mittlerweile anbieten, Spendenkontainer, Kleidertausch-Veranstaltungen, zum Wiederverkauf in Second Hand-Geschäften oder einfach weitergeben an Freunde und Verwandte. Nur weil es keinen Wert mehr für einen Selbst hat, bedeutet das nicht, dass es nicht von jemand anderem möglicherweise noch gerne getragen werden würde. Und wenn dann aber wirklich ein neuer Kleiderkauf ansteht, sind beispielsweise das Ausleihen oder der Kauf von Second Hand gute erste Option die man in Betracht ziehen kann, besonders dann, wenn es um spezielle Anlassbekleidung geht. Es gibt bereits eine ganze Menge an toller Brands, die Kleidung aus Upcycling-Materialien, aus recycelten Fasern, mit Zero Waste Zuschnitt oder multifunktionale Designs anbieten.

Für MARKEN

Eine fundierte Recherche und informierte Wahl der Materialien sind das A und O für kreislauffähige Kleidunsstücke, ebenso wie langlebige, hohe Qualität und die Berücksichtigung von Wiederverwertungsmöglichkeiten am Lebensendes bereits beim entwerfen des Designs zu berücksichtigen. In welche Abfall- und Wiederverwendungskreisläufe kann das Kleidungsstück nach der ersten Benutzerphase eingehen? Wie kann die Lebensdauer eines Kleidungsstücks verlängert werden? Wie kann man es so gestalten, dass Komponenten für das Recycling leicht separiert werden können, welche Materialien sich überhaupt recyclingfähig und welche Prozesschemikalien sind zu vermeiden, um die biologische Abbaubarkeit des Produktes sicherzustellen? Um kreislauffähige Mode zu entwickeln, braucht es eine neue Denkweise, das Verständnis für die Komplexität der Lieferketten und für die Herstellung von Materialen und verwendeten Chemikalien, sowie die Anforderungen von vorhandenen Abfall- und Wiederverwertungsströmen. Leider bereitet unser aktuelles Bildungssystem Jungdesigner nicht ausreichend in diese nötigen Kenntnissen aus. Die meisten Studenten haben bis zu ihrem Studienabschluss noch nie eine Fabrik besucht

 
 

 

"Um kreislauffähige Mode zu entwickeln, braucht es eine neue Denkweise, das Verständnis für die Komplexität der Lieferketten und für die Herstellung von Materialen und verwendeten Chemikalien, sowie die Anforderungen von vorhandenen Abfall- und Wiederverwertungsströmen".

  
 

Wie kann ein Designer ein circular business model starten?

Am besten ist es, zunächst einmal die Ausgangssituation zu betrachten: Wer ist meine Zielgruppe? Welche Produkte biete ich an? Welche Materialien kommen zum Einsatz? Darauf basierend kann dann das am besten geeignete Konzept für die Integration von Kreislauffähigkeit entwickelt werden. Wenn man zum Beispiel Mode für Teenager designt, die wenig Geld zur Verfügung haben, aber gerne häufig die neuesten Styles und Kleidungsstücken haben möchten, ist das Verleihen von Kleidungsstücken eine gute Option. Hier profitiert der Designer von einer langjährigen Kunden-Marken-Beziehung, mit einer wiederholenden Einnahmequelle pro Kleidungsstück und einer besseren Bestandskontrolle. Stellt man wiederrum Jeans her - ein Produkt, das in der Regel langlebig ist und von Kunden über einen langen Zeitraum getragen wird - ist das Verleihen möglicherweise nicht das richtige Business-Konzept . In diesem Fall könnte es interessanter sein, sich beispielsweise auf das Recycling von Fasern und die Reparatur von Kleidungsstücken zu konzentrieren.

 

Können Sie einige Unternehmen und Designer benennen, die ordnungsgemäß recyceln, aufgerüsten, wiederverwenden und neu gestalten?

Toll finde ich das New Yorker Label Eileen Fisher. Sie nehmen ihre eigenen Kollektionen von Kunden zurück und gestalten sie neu, reparieren sie oder färben sie mit Naturfarben nach, bevor sie in den Wiederverkauf gehen. Filippa K ist auch ein sehr interessantes Beispiel, das eine Vielzahl von kreislauffähigen Modekonzepten anbietet, einschließlich dem Verkauf von Second-Hand in ihren Geschäften. Der Pace-Sneaker von Po-Zu ist Cradle-to-Cradle (C2C) zertifiziert mit einem bio-based Obermaterial. Der Schuh ist vollständig recycelbar und hat eine spezielle Korksohle. C&A wiederrum hat die erste C2C Gold-zertifizierte Jeans auf den Markt gebracht. Mittlerweile gibt es glücklicherweise in allen Produktsegmenten tolle kreislauffähige Alternativen, von Strumpfhosen aus 100% recyceltem Materialien von Swedish Stocking über biologisch abbaubare Unterwäsche von Calida bis zu schönen Kleidern aus dead-stock-fabrics von Reformation oder den Kollektionen von Tonlé und Zero Waste Daniel, komplett aus Verschnittabfällen aus der Produktion.

 

+ info: Beyond Fashion

 

+ Words: Julia Henry

Julia Henry ist nachhaltige Fashion Advocate und lebt an der wunderschönen Central Coast von NSW, Australien. Sie ist die Gründerin von @ccfashionpack, einem Instazin, das sich der Mode-Revolution widmet, die slow und sustainable Fashion im realen Leben zeigt und fördert.
 

Instagram: @ccfashionpack