10 Fragen an David Rockwell: Über Nachhaltigkeit, Innovation und die Zukunft des Designs

In diesem exklusiven Interview spricht David Rockwell über die Rolle von Materialien wie Kork, die dringende Notwendigkeit anpassungsfähiger Räume und darüber, wie sich Design weiterentwickeln kann, um den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Er erzählt von der Inspiration hinter Casa Cork, gibt Einblicke in die nachhaltigen Praktiken der Rockwell Group und wirft einen Blick auf die mögliche Zukunft verantwortungsvoller Architektur. Dieses Gespräch ist mehr als ein Austausch über Design – es ist eine Reflexion darüber, wie Kreativität, Ethik und Innovation eine bessere gebaute Welt formen können.

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Von den Broadway-Bühnen bis hin zu luxuriösen Hospitality-Räumen ist David Rockwell seit Langem dafür bekannt, Umgebungen in Geschichten zu verwandeln. Mit Casa Cork, seinem neuesten Projekt, das während der Milano Design Week vorgestellt wird, geht Rockwell noch einen Schritt weiter – hinein in die Welt der Nachhaltigkeit, Anpassungsfähigkeit und des zirkulären Designs.

 

Ihre Arbeit bewegt sich seit jeher an der Schnittstelle von Architektur, Design und Storytelling. Wie definieren Sie nachhaltiges Design in der heutigen Welt?

Nachhaltiges Design umfasst natürlich viele Komponenten – von gesunden, nachhaltigen Materialien, die gut für Umwelt und Menschen sind, bis hin zu Bau- und Designprozessen, die Abfall reduzieren. Kork ist dabei ein perfektes Naturprodukt: Korkeichen werden bei der Ernte nicht gefällt oder beschädigt. Die Rinde – die sogenannte Korkplatte – wird vorsichtig entfernt. Alle neun Jahre regeneriert sie sich, wobei sie große Mengen CO₂ speichert, und kann erneut geerntet werden. Nach ihrer Erstverwendung, beispielsweise als Weinflaschenkorken – der häufigsten Anwendung – kann das schwimmfähige, undurchlässige Material recycelt werden, wobei seine CO₂-bindende Wirkung erhalten bleibt.

Aber noch umfassender gedacht: Wenn wir bei Rockwell Group über Nachhaltigkeit sprechen, denken wir auch an Langlebigkeit und Zielgruppen. Wird ein Projekt von vielen Menschen über lange Zeit genutzt und geschätzt? Ist es in der Lage, sich zu wandeln und neu interpretiert zu werden? Kann es angepasst werden? Anpassungsfähigkeit ist ein wesentlicher Aspekt von Nachhaltigkeit. Es begeistert uns immer wieder, wenn wir in historischen Gebäuden oder Wahrzeichen arbeiten dürfen – oder auch in einfachen, ehemals anders genutzten Räumen. Dabei nutzen wir nicht nur wertvolle Ressourcen wieder, sondern profitieren auch von der Patina der Zeit.

 

Ihr aktuelles Projekt, Casa Cork, wird während der Milano Design Week präsentiert. Was hat Sie dazu inspiriert, mit Kork zu arbeiten, und welche Geschichte erzählt dieses Projekt?

Wir interessieren uns schon seit Langem für Kork. Bereits vor einigen Jahren haben wir gemeinsam mit Maya Romanoff eine Kollektion von Kork-Wandverkleidungen mit dem Namen Porto entwickelt – lange bevor es die Idee zum Cork Collective überhaupt gab. Diese entstand aus unserer damaligen Faszination für Kork und seiner unglaublichen ästhetischen Vielfalt und Einsatzmöglichkeiten in der gebauten Umgebung. Wir sahen darin ein nachhaltiges, flexibles Produkt – ein spannendes und vielseitiges Material für unterschiedlichste Hospitality-Projekte.

In den letzten Jahren – mit dem Anspruch, nachhaltiger zu handeln – waren wir schockiert zu erfahren, dass jährlich weltweit rund 13 Milliarden Korken im Müll landen. Mit unseren tiefen Wurzeln in der Hospitality-Branche fühlten wir uns dazu berufen, unsere Community mit einer Bildungs- und Recyclinginitiative zu mobilisieren, um auf das enorme Potenzial von Kork hinzuweisen – denn er lässt sich immer wieder recyceln.

Das Cork Collective startete sein „NYC Collection Program“ im Sommer 2024 in Zusammenarbeit mit über 70 lokalen Restaurants, Gastrobetrieben und Weinläden. Der recycelte Kork wird für Spielplatzböden und öffentliche Räume in der Nachbarschaft verwendet.

Unser Ziel war auch, das Projekt international auszubauen. Und wenn es um Wein und Design geht, war für uns klar: Wir brauchen eine Präsenz in Mailand und Italien. Casa Cork ist als Hospitality-Erlebnis gedacht, das Innovation im Korkdesign zeigt. Wir möchten die Neugier und Entdeckerfreude der Besucher für dieses Material wecken. Eine immersive, interaktive Reise – gemeinsam mit herausragenden Designer:innen und Handwerker:innen – schien uns der richtige Weg. Die Innenräume, Möbel und Beleuchtung bestehen nahezu vollständig aus Kork. Wir haben gezielt Objekte und Materialien gewählt, die die Vielseitigkeit und Schönheit von Kork zeigen – aber auch den F&E-Prozess sichtbar machen. Wir hoffen, dass Designer:innen dazu inspiriert werden, Kork und andere nachhaltige Materialien neu zu denken.

David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
David Rockwell. © Photography by Emily Andrews.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.

DIE KRAFT DES STORYTELLINGS IN DER ARCHITEKTUR

Wir haben gelesen, dass Casa Cork eine Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit ist. Denken Sie, dass dieses Projekt einen grundlegenden Wandel in der zukünftigen Gestaltung von Wohnräumen darstellt?

Viele Menschen denken schon seit Langem darüber nach, wie man nachhaltiger gestalten kann – zum Beispiel gibt es inzwischen Designer, die mit „Hemplime“ experimentieren, einem CO₂-negativen Biokomposit aus Kalk und den holzigen Resten von Industriehanf, das sich für CO₂-neutrale Dämmung eignet. Ich hoffe, dass wir mit Casa Cork und dem Cork Collective einen weiteren Impuls setzen – eine weitere Stimme, die fragt, ob sich Dinge vielleicht ein wenig anders machen lassen – im Sinne der Gesundheit unseres Planeten und unserer selbst.

 

Wie lassen sich die Prinzipien hinter Casa Cork auf größere Maßstäbe anwenden – zum Beispiel im städtischen Raum oder in kommerziellen Projekten?

Mit Casa Cork schaffen wir ein Element der Überraschung und Freude – wir verwandeln ein vermeintlich alltägliches Material in schöne, funktionale Objekte und Oberflächen, die langlebig und recycelbar sind. Was bei Casa Cork realisiert wurde, lässt sich definitiv auch auf Wohn- oder Geschäftsräume übertragen. Wir hoffen zudem, dass es Designer:innen, Bauherr:innen und Projektentwickler:innen dazu inspiriert, auch andere nachhaltige Materialien in Erwägung zu ziehen und sie auf neue, kreative Weise einzusetzen.

 

Nachhaltiges Design bringt oft Herausforderungen mit sich. Gab es während der Entwicklung unerwartete Hürden oder Durchbrüche?

Eine der größten Herausforderungen war das Design eines wiederverwendbaren Konzepts. Bei jedem Projekt, das für den Transport vorgesehen ist, ist die Detaillierung in jeder Phase entscheidend – alle Komponenten müssen sich leicht demontieren und transportieren lassen.

Forschung und Entwicklung sind immer anspruchsvoll, wenn mit neuen Materialien gearbeitet wird – besonders bei so kurzer Produktionszeit. Unser lokaler Hersteller hatte zuvor kaum Erfahrung mit Kork, sodass wir in diesem Projekt bewusst Risiken eingegangen sind.

 

Können Sie uns einige Details zu den verwendeten Materialien und Techniken nennen, mit denen die Umweltbelastung möglichst gering gehalten wurde?

Ein Großteil des Korks stammt von Amorim, das entweder recycelte Korken oder wiederverwertete Reste aus der eigenen Produktion verwendet. Die Studierenden der Parsons School arbeiten mit recycelten Weinkorken von Amorim, die auch deren Prototypen fertigen. Suber Design und Amorim Cork Italia stellen recyceltes Korkmaterial für das Politecnico zur Verfügung und werden die Prototypen der Finalist:innen herstellen.

Casa Cork zeigt eine große Nachbildung eines Korkbaums, verkleidet mit Naturkork, der von Bäumen stammt, die durch Krankheiten oder Blitzeinschläge gefallen sind. Die Installation ist modular aufgebaut, damit sie leicht abgebaut und in andere Städte transportiert werden kann. Wir prüfen derzeit zukünftige Einsatzorte.

Verwendeter Kork für die Installation:
• Ca. 200 Korkblöcke in unterschiedlichen Dichten
• Ca. 200 m gerollte Korkwaren in unterschiedlichen Dichten
• Ca. 270 m² Korkbodenbelag

Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.
Casa Cork. © Photography by Ed Reeve.

INSPIRATIONEN UND VISIONEN

Wer inspiriert Sie derzeit im Bereich des nachhaltigen Designs? Gibt es Architekt:innen, Designer:innen oder Bewegungen, die Sie besonders bewundern?

Es gibt immer mehr Designer:innen und Architekt:innen, die bemerkenswerte Fortschritte im nachhaltigen Design machen. Einige, die mir spontan einfallen, sind Matthew Barnett Howland, Dido Milne und Oliver Wilton, deren Projekt Cork House von 2019 fast vollständig aus tragfähigem Massivkork besteht; Jonsara Ruth, Design Director des Healthy Materials Lab (HML) an der Parsons School of Design und Gründerin von Salty Labs – einem kollaborativen Studio, das Design einsetzt, um die menschliche und ökologische Gesundheit zu verbessern; sowie die Architektin Lesley Lokko, die das African Futures Institute gegründet hat, um die nächste Generation von Umweltführer:innen durch Bildung und Forschung zu fördern. Wir lassen uns auch regelmäßig von innovativen Anwendungen nachhaltiger Baumaterialien inspirieren, etwa Hanfkalk (Hempcrete), Myzelium, Bambus oder recyceltem Holz.

 

Was hoffen Sie, dass Besucher:innen der Milano Design Week von Casa Cork mitnehmen?

Wir hoffen, dass sie etwas Neues über die Vielseitigkeit von Kork erfahren und seinen Wert für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erkennen. Für Casa Cork haben wir bewusst Objekte und Materialien ausgewählt, die genau das symbolisieren – gefertigt von führenden Persönlichkeiten der Designbranche aus aller Welt. Es war uns auch wichtig, den Forschungs- und Entwicklungsprozess sichtbar zu machen, um Besucher:innen einen realistischen Weg aufzuzeigen, selbst etwas Ähnliches umzusetzen.

 

Was steht für Sie als Nächstes im Bereich des nachhaltigen Designs an? Gibt es kommende Projekte, auf die wir gespannt sein dürfen?

Im Rahmen von Casa Cork präsentieren wir auch unsere neue Leuchtenkollektion für Stackabl, ein Designunternehmen mit Sitz in Toronto. Dessen Ziel ist es, bis 2029 rund 500 Tonnen Textilabfälle von der Mülldeponie fernzuhalten. Die Kollektion besteht aus Restrollen und Verschnittteilen von Filz und umfasst eine Serie von Boden- und Tischlampen mit kräftigen, geometrischen Zylinderformen. Die Sockel bestehen aus massivem Kork, hergestellt von Amorim – aus 100 % postindustriellem Kork, der aus Abfallmaterialien der Weinkorkenproduktion gewonnen wird.

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