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Die Rückkehr des Reparierens: Wie traditionelles Handwerk nachhaltige Mode unterstützen kann

Warum haben wir aufgehört, Kleidung zu reparieren, und stattdessen angefangen, sie nach nur wenigen Malen Tragen wegzuwerfen? Die Tradition des Flickens – einst in vielen Kulturen weit verbreitet – ist nahezu verschwunden. Die schnelllebige Wegwerfmode hat die über Generationen gepflegte Praxis verdrängt, Kleidung langlebig zu machen. Wie der Copenhagen Fashion Summit berichtet, landen von den jährlich produzierten 100 Milliarden Kleidungsstücken rund 92 Millionen Tonnen auf Mülldeponien. Diese erschreckenden Zahlen machen deutlich: Ein Wandel ist dringend notwendig.

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Angesichts zunehmender Umweltprobleme stellt sich die Frage: Könnte die Wiederbelebung traditioneller Flicktechniken den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnen? Indem wir Kleidung reparieren statt wegwerfen, verringern wir Abfall, schonen Ressourcen und durchbrechen den zerstörerischen Kreislauf der Fast Fashion. Das Reparieren ist kein nostalgischer Rückblick – sondern ein Schritt hin zu einem achtsameren, umweltbewussteren Lebensstil.

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© Unsplash

REPARIEREN IN VERSCHIEDENEN KULTUREN

Über Jahrhunderte hinweg war das Reparieren von Kleidung nicht nur eine praktische Notwendigkeit, sondern auch ein tief empfundener Ausdruck von Fürsorge und Wertschätzung – und das über kulturelle Grenzen hinweg. In Japan etwa zeigt die Kunst des Sashiko mit ihren geometrischen, kunstvollen Stichen, wie Stoffe nicht nur geflickt, sondern auch verschönert werden können. Oft wird Sashiko mit Kintsugi verglichen – der Praxis, zerbrochene Keramik mit Gold zu reparieren. Beide Techniken verdeutlichen, wie aus vermeintlichen Makeln durch achtsame Pflege etwas Schönes entstehen kann. Diese Traditionen verkörpern zentrale japanische Lebensphilosophien: die Schönheit des Unvollkommenen zu feiern und Dinge, die noch Leben und Wert in sich tragen, nicht vorschnell wegzuwerfen. Eine mit Sashiko reparierte Jacke kann über Generationen weitergegeben werden – jedes Stück Stoff erzählt ein Kapitel der Familiengeschichte.

Doch diese Haltung ist keineswegs nur in Japan verankert. In vielen Kulturen auf der ganzen Welt wurde das Flicken von Kleidung als Möglichkeit gesehen, Ressourcen zu schonen und Kleidungsstücken Bedeutung zu verleihen. In Skandinavien und im Rahmen der britischen Kampagne „Make Do and Mend“ während des Zweiten Weltkriegs reparierten Menschen ihre Wollkleidung, um den harten Wintern zu trotzen. In Westafrika, Indien oder bei indigenen Gemeinschaften Nordamerikas war das Reparieren mehr als Stoffpflege – es schuf Erinnerungsstücke voller emotionaler Tiefe, gemacht, um mit Liebe weitergegeben zu werden. Jede Naht wurde zur Erzählung, verband Vergangenheit und Gegenwart und durchtränkte Kleidung mit Geschichte, Identität und Bedeutung.

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DIE ZUKUNFT DES REPARIERENS

Spulen wir ins Heute vor – die Modewelt hat sich dramatisch verändert. Der Wandel hin zur Fast Fashion hat laut McKinsey & Company dazu geführt, dass jährlich bis zu 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert werden. Um das ins Verhältnis zu setzen: Bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen müsste jede Person 12 bis 14 Kleidungsstücke pro Jahr kaufen, nur um die Nachfrage zu decken. Viele dieser Kleidungsstücke werden jedoch nur wenige Male getragen und dann entsorgt – mit gravierenden Folgen für Umwelt und Ressourcen. Jährlich landen Millionen Tonnen Textilmüll auf Mülldeponien, was zur Umweltverschmutzung beiträgt und wertvolle Rohstoffe verschwendet.

Doch es gibt Anzeichen für einen Wandel: Das Reparieren feiert ein Comeback – nicht nur als nachhaltige Alternative zur Wegwerfmode, sondern auch als bewusste Rückbesinnung auf den Wert von Kleidung. Das Flicken ermöglicht uns, den „konsumorientierten Blick“ abzulegen, in Lieblingsstücke zu investieren und Mode mit mehr Achtsamkeit zu begegnen.

Marken wie Levi’s und Patagonia nehmen dabei eine Vorreiterrolle ein. Sie verkaufen nicht nur Kleidung – sie zeigen, wie man sie pflegt. Levi’s bietet in vielen Filialen sogenannte „Tailor Shops“ an, in denen Kleidung professionell repariert wird. Zusätzlich gibt es DIY-Workshops, und das Unternehmen repariert jährlich über 100.000 Kleidungsstücke. Patagonia geht mit seinem „Worn Wear“-Programm einen ähnlichen Weg und hat rund 50.000 Stücke pro Jahr instand gesetzt – mit dem Ziel, Kund*innen zu ermutigen, Kleidung zu flicken oder weiterzugeben, statt sie wegzuwerfen.

Diese Initiativen zeigen ein echtes Engagement für Nachhaltigkeit von Marken, die es ernst meinen. Laut der US-Umweltschutzbehörde (EPA) kann allein die Verlängerung der Lebensdauer eines Kleidungsstücks um neun Monate den ökologischen Fußabdruck (CO₂, Wasser und Abfall) um bis zu 30 % senken. Angesichts der Tatsache, dass jährlich rund 85 % aller Textilien auf Deponien landen, ist das ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz.

Heute ist das Reparieren nicht nur praktisch – es ist ein Akt der Fürsorge für unseren Planeten. Wer Kleidung repariert, reduziert seinen CO₂-Fußabdruck, fördert Kreativität und drückt seinen persönlichen Stil aus. Also: Holen wir die Tradition des Reparierens zurück! Denn Kleidung, die Generationen von Geschichten und Liebe in sich trägt – wer würde sie nicht tragen wollen? Wir auf jeden Fall.

+ Words:
Aoife Morrall
Luxiders Magazine Contributor

 

+ Image Highlight:
© Kelly Sikkema via Unsplash

 

 

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