Frankfurt Fashion Week 2022 | Wird es zwei Modewochen in Deutschland geben?

 

 

In der vergangenen Woche (20.-26. Juni) fand die lang erwartete Frankfurt Fashion Week statt, die nach der Absage der ersten beiden Ausgaben aufgrund von Covid-19 in Frankfurt mit zahlreichen Veranstaltungen zu nachhaltiger Mode, Design und Kunst eröffnet wurde. Auf dem Programm: Neonyt Lab, Heimtextil, Techtextil und Texprocess, Modenschauen wie die von Anja Gockel bei Weltgewand(t) oder Chloé vd - Katja von Döring und die interessanten Into Design Expeditions. 

 

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Eine neugierige Stimmung lag in der Luft. Es war offensichtlich, dass die Frankfurter Modewoche nach der Rückkehr der Premium Exhibitions nach Berlin mit größeren Erwartungen als je zuvor ihre Tore öffnete. Wird die Frankfurt Fashion Week so erfolgreich sein, dass sich Deutschland auf zwei Modewochen, eine in Frankfurt und eine in Berlin, vorbereitet? Diese Frage haben wir uns auch beim Luxiders Magazine gestellt. In der Tat ist es nicht abwegig, denn es gibt bereits Länder, wie z.B. Spanien, die zwei erfolgreiche Modewochen etabliert haben (Barcelona und Madrid). Warum könnte das nicht auch in Deutschland dauerhaft geschehen?

Wichtig dabei wäre, dass sie zeitlich nicht zusammenfallen und dass jede von ihnen eine andere Vision von Mode bietet. Wir können uns also eine Modewoche in Berlin vorstellen, die auf unabhängiges und avantgardistisches Modedesign spezialisiert ist, und eine Modewoche in Frankfurt, die auf nachhaltiges und technologisches Design spezialisiert ist. Wer weiß? Vielleicht bekäme Deutschland dadurch einen wichtigeren Platz in der europäischen Modewelt als bisher. 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

ALLE AUGEN AUF DIE FRANKFURTER MODEWOCHE 2022

NEONYT LAB

Das Neonyt Lab eröffnete seine Pforten mit einer exzellenten Modenschau, einer wunderschönen Auswahl an Kleidungsstücken, die diesmal nicht zu den auf der Messe vertretenen Marken gehörten, sondern von der Stylistin Claudia Hofmann frei ausgewählt wurden, um das modischste nachhaltige Design der Gegenwart auf internationalem Niveau zu zeigen. Unter dem Motto Biosphäre-Ökosphäre thematisierte die Neonyt Fashion Show die Interaktion zwischen Mensch und Umwelt; die Elemente Wasser, Luft und Erde im Zusammenspiel mit unserer industrialisierten und digitalisierten Welt. In 31 markenübergreifenden Looks und einem multimedialen Laufsteg zeigten rund 50 Marken die Zukunft der (nachhaltigen) Mode.

Die Biosphäre wurde vor allem durch die Silhouetten und Strukturen der Looks repräsentiert, aber auch durch die organischen und regenerativen Materialien, aus denen viele der Kollektionsteile gefertigt wurden. So durften bei der Neonyt-Modenschau nur nachhaltige, organisch gewachsene oder regenerative Materialien verwendet werden, die dazu beitragen, wertvolle Ressourcen wie sauberes Wasser, Energie und Boden zu schützen und so zu einem gesunden Ökosystem beizutragen.

Die Technosphäre, zu der per Definition auch der Mensch gehört, wurde in der Modenschau durch die Verschmelzung der digitalen Welt mit der realen Welt durch große LED-Bildschirme dargestellt, auf denen digitale Inhalte zu sehen waren, sowie durch Nahaufnahmen und Überlagerungen der gezeigten Looks. In den Kollektionen widmet sich die Technosphäre den Themen Recycling oder recycelte Chemiefasern, die saubere Verwendung von Chemikalien oder im technischen Kreislauf des Cradle2Cradle-Konzepts. Optisch wurde die Technosphäre in glänzenden und reflektierenden Oberflächen sowie in Sportbekleidung und Outdoor-Styles dargestellt. 

Bei der Ausstellung im Neonyt Lab hatten mehr als 30 nachhaltige Mode-, Beauty- und Lifestyle-Marken die Möglichkeit, ihre Kollektionen auf einer Fläche von 1.000 m2 im Bereich Greenstyle the Store, der nach den Nachhaltigkeitskriterien von Greenstyle kuratiert wurde, einem breiten Publikum zu präsentieren. Lokale Unternehmen wie Alexandra Svendsen, Frisch Beutel und Helena Harfst nahmen teil, aber auch Marken aus ganz Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz, wie Akjumii, Alicia Victoria, Amaran Creative, Angels Ambition, Belle Ikat, BenecosBio, Clothesfriends, Fairnica, Frijda Juni, Lana, Lanius, Make Somebody Happy, Martin Guthmann, Melina Bucher, Montreet, Natyoural, Nikin, Nina Rein, Oscalito, Refished Fair Fashion, Seads, The Bad Seeds Company, Viktoria Moser, Vretena, Widda und Wildling Shoes.

Die meisten der vom Luxiders Magazine befragten Marken äußerten sich zufrieden mit der Veranstaltung, die es ihnen ermöglichte, mit Endverbraucher*innen in Kontakt zu treten, einen Teil ihrer Kollektionen vor Ort zu zeigen und zu verkaufen und - im Falle der in Frankfurt ansässigen Marken - Stammkunden und -kundinnen zu gewinnen.

Am ersten Tag war die Veranstaltung sehr gut besucht. Es herrschte eine geschäftsmäßige Atmosphäre. Die Fashion Sustain-Konferenz für nachhaltige Mode, die im selben Gebäude stattfand, war ebenfalls sehr gut besucht. Während der dreitägigen Veranstaltung konnten sich die Endverbraucher*innen über wichtige Themen informieren, z. B. darüber, wie man zwischen nachhaltiger Mode und Greenwashing unterscheidet oder wie man der Nachhaltigkeit in unserem Kleiderschrank Priorität einräumt.

Laut der Direktorin von Neonyt Lab, Bettina Bär, "...haben wir noch nicht entschieden, wie und wo die nächste Ausgabe von Neonyt stattfinden wird, wir werden die Analyse dieser Ausgabe abwarten, um die richtige Entscheidung für unsere Marken zu treffen".

 
 
 
 

HEIMTEXTIL

Aufgrund der pandemiebedingten Absage der regulären Heimtextil im Januar wurde die internationale Fachmesse in diesem Jahr auf Wunsch der Branche einmalig als Summer Special parallel zur Techtextil & Texprocess durchgeführt.  

Das Heimtextil Summer Special war mit seinem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit richtungsweisend. Eine breite Produktpalette - von Fasern aus PET-Flaschen über fair gehandelte Naturmaterialien bis hin zu textilen Produkten mit QR-Codes zur Nachverfolgung des gesamten Produktionsprozesses - machte den Megatrend Nachhaltigkeit in seiner ganzen Bandbreite erlebbar. Auch Leinen in Kombination mit anderen Naturfasern wie Hanf und Wolle sowie Bettwäsche aus mit Kork beschichteter Baumwolle waren Teil des grünen globalen Produktportfolios. In diesem Zusammenhang wurden auch die täglichen Green Tours mit Einblicken in recycelbare Textilien gut angenommen.

Frische Impulse für die Branche lieferten die Heimtextil Trends. Der Trend Space stellte ungewöhnliche Ansätze zur Vermeidung von Abfällen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten in den Mittelpunkt. Weitere Publikumsmagneten waren das Green Village  sowie die Heimtextil-Konferenz "Sleep & More" zum Megathema Schlaf und nachhaltige Hotellerie sowie das Vortrags- und Führungsangebot im Rahmen von Interior.Architecture.Hospitality.

Die nächste Heimtextil findet vom 10. bis 13. Januar 2023 statt. 

 
 
 
 
 
 
 
 

FRANKFURT FASHION LOUNGE

Die Eröffnungsshow von René Storck in der Frankfurter Börse war ein echtes Spektakel. An den anderen Tagen der Fashion Week folgten weitere beeindruckende Shows mit den Trends und Labels der teilnehmenden Designer*innen und Künstler*innen - alles Made in Frankfurt. Die ganze Stadt erstrahlte im Glanz der Mode.

Die Frankfurt Fashion Lounge präsentierte am Dienstag an zahlreichen Modenschau-Standorten die Kollektionen junger Designer*innen und setzte mit den Kreationen von Albercht Ollendiek und seiner Couture-Show "Le Temps Èphémére" am Dienstagabend im ehrwürdigen Karmeliterkloster den Schlusspunkt. Feinste Stoffe, dezente Farben und raffinierte Details kennzeichneten die Kollektion des bekannten Frankfurter Designers.

Am Mittwoch zeigte die Frankfurt Fashion Lounge die Kollektionen der jungen, talentierten Designer des von Sevinc Yerli initiierten und von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, der Schneiderinnung Rhein-Main und August Pfüller Fashion Concept unterstützten Modedesigner-Mentoring-Programms. Die Jungdesigner*innen präsentierten ihre Mode auf dem Dach des Sofitel Frankfurt Opera. Im Mittelpunkt des Mentoring-Programms steht die Förderung von talentierten Designern, die sich auf die Produktion von nachhaltiger Mode spezialisiert haben.

Stadträtin Stephanie Wüst zog ein positives Resümee des bisherigen Verlaufs: "Es liegt eine besondere Atmosphäre in der Luft. Frankfurt hat sein Profil als Modestadt und kreatives Zentrum geschärft. Alle Shows, ob groß oder klein, haben unglaubliche Bilder geliefert. Unsere Frankfurter Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der deutlich zeigt, wie viel kreatives Potenzial in Frankfurt vorhanden ist, vor allem, wenn wir ihre Kreativität mit dem internationalen Know-how der Messegesellschaft verbinden. "

Oliver Schwebel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Frankfurt, ist stolz auf sein Team und alle anderen Beteiligten: "Wir können es immer noch kaum glauben, dass unser Team es geschafft hat, in so kurzer Zeit ein Programm dieser Größenordnung auf die Beine zu stellen. Mehr als 100 Veranstaltungen, darunter einige echte Mode-Highlights, sprechen für sich. Die modeinteressierten Frankfurterinnen und Frankfurter sollten sich die Fashion Week auf keinen Fall entgehen lassen."

In diesem Sinne können wir uns Deutschland mit zwei Modewochen - der Frankfurter und der Berliner Modewoche - vorstellen, die harmonisch zusammenleben und sich gegenseitig ergänzen, um Deutschland als unverzichtbare Station im europäischen Modekalender zu positionieren. 

 
+ Words:
 
Belvis Soler
Luxiders Magazine