Von Plastikmüll zu Skulpturen: Aurora Robson

Die Skulpturen von Aurora Robson erheben das, was wir gar nicht für wertvoll halten – Müll – zu Kunstinstallationen, bei denen Dialoge über unsere narzisstische, selbstzerstörerische Gesellschaft entfacht werden: eine hierarchische Welt, die Plastikverschmutzung leugnet und unsere Kultur von der Natur trennt. In unserem Zwiegespräch äußert sich Robson hoffnungsvoll darüber, dass wir Prioritäten setzen und uns der Zukunft der Natur bewusst werden sollten.

Um den Luxiders Newsletter zu erhalten, melde dich hier an.

Die Menschheit ist in ihrer Vision der nahen Zukunft in zwei Pole geteilt: die Apokalypse und die Hoffnung. Wir wandeln entweder ziellos in der Dunkelheit, oder halten uns an individuellen Bemühungen fest, welche die Menschheit mit dem unendlichen Guten versöhnen sollen. In einer halt-und führungslosen Welt, schmiedet Aurora Robson Geschichten, die sich mit unserer unmittelbaren Wirklichkeit befassen: dem Ort, der uns Schutz bietet. Ihre Skulpturen sind aus Plastikabfällen, die sie seit mehr als einem Jahrzehnt aus dem Müll bezieht. In einem Gespräch erklärt die kanadische, in den USA lebende Künstlerin, wie ihre Arbeit als „glorified janitor“ bedrückende Orte mit Harmonie, Hoffnung und Dankbarkeit erfüllt. Aurora Robson war Podiumsgast bei mehreren Konferenzen, u.A., ‚Die Rolle von Kunst in der Umweltkrise‘, 2019. Ihre Arbeiten wurden kürzlich im Myrthe Beach Art Museum in den USA ausgestellt, und derzeitig arbeitet sie in Project Vortex – eine von ihr gegründete Künstlerkollektive, die Wege findet, mit Plastikmüll zu arbeiten.

 

Hallo Aurora! Ihre Arbeit ist sehr inspirierend – Sie haben innovative Wege zur Verwendung von Kunststoff in Kunst und Erziehung gefunden. Was hat Sie dazu gebracht, sich auf die Anwendung von Plastikmüll in visueller Kunst zu spezialisieren?

Meine Praxis mit Plastikabfällen begann als eine ruhige, private Meditation darüber, wie man Negativität bezwingt und durch Kreativität mehr Licht in die Welt bringt. Ich habe ein paar Risiken und Opfer auf mich genommen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich die Zeit aufbringen konnte, um mich ernsthaft mit dem Thema und dem Weltgeschehen auseinanderzusetzen, um dann mit Hilfe meiner Fähigkeiten von Nutzen zu sein. Ich sehe Kunst als kulturelle Dienstleistungsindustrie. Künstler schaffen die Kulturlandschaft und es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass unsere Kulturlandschaft im Einklang mit unserer Naturlandschaft steht. Kunst ist eine globale Sprache und Plastikverschmutzung ist ein globaler Alptraum. Alpträume sind auch Träume. Diese Erfahrung (gerade jetzt lebendig zu sein) hat das Potenzial verträumt oder alptraumhaft zu sein.

Ich nutze meine Arbeit, um mit Menschen auf der ganzen Welt über Potenzial, Dankbarkeit, Mysterium, Liebe und Leben zu sprechen und wie wir einen universelleren Zugang zu diesen erhebenden Aspekten des Lebens schaffen können. Die Lebensaspekte, die in Anbetracht des wunderbaren Wesens des Lebens unsere Zeit auf der Erde weniger schmerzhaft machen.

Ich versetze mich ständig zurück an einen Ort der Hoffnung, Dankbarkeit, strahlenden Energie und Liebe, damit ich es schaffe, diese Arbeit mit Plastikmüll und Abfall zu machen, was ansonsten zu deprimierend und schwer zu ertragen wäre.

Was haben Sie aus der Arbeit mit Plastikmüll gelernt?

Wir betrachten Plastik als Wegwerfartikel, auch wenn es genau das Gegenteil ist. Es gibt so viele unterschiedlichen Meinungen darüber. Plastik ist so schmiegsam, dass wir dazu neigen, es zu missbrauchen, es als selbstverständlich hinzunehmen und für viel zu viele Dinge zu gebrauchen – Nur weil wir etwas tun können, heißt es noch lange nicht, dass wir es tun sollten. Menschen neigen dazu, Sachen einfach hinzunehmen ohne sich großartig Gedanken darüber zu machen und Plastik gehört dazu. Man sollte mehr Wert auf Gegenstände legen, die uns Freude machen und/oder unser Verständnis des Menschseins verbessern, nicht auf Materialknappheit. Knappheitsökonomie ist überholt, bringt uns nichts und richtet Verwüstung auf dem Planeten an.

Statt Material sollten in der Kunst Knappheit und Seltenheit bewundert werden. Ich hoffe, dass wir klug genug sein werden, eine Vorliebe für zukünftige freundliche Kunst zu entwickeln die nicht nur Schönheit in unser Leben bringt sondern auch andere Bereiche des Bewusstseins ansprechen. Bis heute wurden weniger als 10% aller weltweit hergestellten Kunststoffe tatsächlich recycelt.

Recycling ist kein realistischer Ansatz zur Bewältigung des Kunststoffabfallstroms, vor allem, wenn man die Geschwindigkeit betrachtet, mit der Kunststoffe zunehmend produziert und verbraucht werden. Es ist eine Frage des Wertes, der ein hierarchisches Dilemma darstellt.

„Umweltverschmutzung durch Kunststoff ist nur eins der vielen Probleme, aber wie alle unsere großen Herausforderungen ist dies sektorübergreifend und berührt unverhältnismäßig viele Randgruppen oder Menschen in Gegenden mit geringerem Einkommen, Menschen mit weniger Zugang zu Macht und Ressourcen.“

 

Dies ist jedoch nur vorübergehend, da es sich in beunruhigenden Mengen in Mikropartikeln und Mikrofasern in unserem Wasser zeigt (sei es Leitungs-, Meeres-, abgefülltes oder Flusswasser) und auch immer häufiger in der Luft, die wir einatmen. Es ist an der Zeit, mit so vielen Aspekten des Status Quo Schluss zu machen. Da dieses synthetische, alltägliche Material „Plastizität“ mit eingebaut hat, ist es so weit verbreitet. Kunststoff wurde entworfen, um sich unseren Launen zu beugen, also bin ich überrascht, dass nicht mehr Künstler damit arbeiten. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, da Kunststoff besser geeignet für Anwendungen ist, in denen Wegwerfen nicht erwünscht ist.

Der Großteil der Kunststoffe wird hauptsächlich aus Erdöl hergestellt – das Erdöl in Kunststoffen könnte herausgelöst und wiederverwendet werden, stattdessen landet aber dieses Material meistens auf der Müllhalde oder in unseren Gewässern. Es wäre viel besser, es umzuwandeln und für Kunst- und Designanwendungen zu nutzen, als dass es weiterhin unsere wertvollsten natürlichen Ressourcen auf diesem Planeten verunreinigt. (Wasser und neuerdings Luft.).

Was sieht die Zukunft von Plastik aus ? Und die Zukunft der Natur?

Ich glaube, in der Zukunft werden Kunststoffe zunehmend durch ähnliche Objekte aus Algen, Myzel, Mais und anderen abbaubaren Materialien ersetzt werden. Meiner Überzeugung nach werden mehr Künstler und Designer mit Plastikmüll arbeiten und ich hoffe, das noch zu meinen Lebzeiten zu ermöglichen.

„Ich interessiere mich für die zarten Kanten zwischen Natur und Kultur und möchte sie erweichen, so dass es weniger Reibung und mehr Harmonie gibt.“

 

Die Zukunft der Natur ist unvermeidlich. Die Natur ist unser Schlafzimmer, Küche, Bad, Mutter, Vater, Schwester, Bruder, Mann, Frau und Spiegel. Es ist die allumfassende Güte, die uns überhaupt die Möglichkeit gegeben hat, am Leben zu sein – die Brise und das Sonnenlicht auf unseren Gesichtern zu erleben, im Mondlicht zu baden und die Sterne zu bewundern. Die Natur erlaubt uns, uns zu verlieben, zu essen, zu schlafen, Herzschmerz zu erleben und Kraft zu haben, alles wieder von vorne zu beginnen. Das alles sind Geschenke, die wir jeden Tag teilen sollten. Dies sind Geschenke, die wir alle erhalten – lebendig zu sein, zu lernen, zu ehren, zu umarmen und was wir können, an andere weiterzugeben. Es ist eine Urpflicht und ein Geschenk, das uns alle durchzieht.

Was denken Sie über das Anthropozän?

Das Anthropozän ist unser Moment der Abrechnung. Wir werden als Spezies an mehreren Fronten getestet. Einige von uns werden scheitern und fallen, während andere sich der Herausforderung stellen, ermutigt werden und lernen, in Harmonie mit der Natur (uns selbst und miteinander) zu sein und zu handeln. Uns wird eine Lektion über Dankbarkeit und Respekt erteilt (für unsere Mitmenschen, für uns selbst, unsere Biosphäre und das Universum). Seit Jahrzehnten richten wir auf der Erde ein großes Chaos an und es ist Zeit zu handeln. Jeder Einzelne von uns sollte weniger Sitzungen veranstalten, reden und überlegen, sondern mehr handeln, Mut und Entschlossenheit zeigen.

Ich arbeite seit über einem Jahrzehnt als „glorified janitor“ daran aufzuräumen und und tue, was ich kann, um nützlich sein zu können. Diese riesige Welle kommt uns schon seit einiger Zeit entgegen. Die meisten Menschen haben sich zu sehr darauf konzentriert, was direkt vor ihnen ist und sehen sie deshalb nicht. Ich hoffe nur, dass viele von uns rechtzeitig aufwachen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um einige dieser Bahnen umzukehren. In diesem Zeitalter geht es mehr um Bewusstsein als um Materie. Es geht darum, dass wir unsere Autopiloten töten und die Kontrolle über unser Leben übernehmen.

„Wir sind alle teil des Problems und Teil der Lösung – die Frage ist: worauf konzentrieren wir unsere Energie und unseren Fokus?

 

Ihre Bio-Aussage lautet: „Es ist eine Meditation über Integration und Antidiskriminierung. Ich möchte visuelle, spirituelle und poetische Harmonie in unbequemen Bereichen schaffen, in denen Vernachlässigung, Reibung oder Chaos herrscht.“ Wie löst Ihre Arbeit Gespräche über Integration und Inklusivität aus?

Meine Arbeit entfacht Gespräche über Inklusivität auf einer Reihe von Ebenen. Ich nutze meine Fähigkeiten, um das Leiden auf der Erde jeden Tag durch die Akzeptanz meines Unbehagens zu reduzieren und mit dem Müll anderer Menschen vertraut zu werden, was oft eine groteske Erfahrung ist. Trotzdem entscheide ich mich dafür, mit dem zu arbeiten, was wir als wertlos betrachten, als „Müll“.

Es ist so wie wie die falsche Hierarchie, die wir auf andere Tiere oder Menschen anwenden, und in der Vergangenheit von so vielen als minderwertig betrachtet wurden – was offen gesagt verrückt ist, da das Leben selbst einzigartig ist.

Es ist bestenfalls kurzsichtig, Sachen auf so leichtsinnige Art und Weise als wertvoll oder wertlos zu betrachten. Ich nutze meine Fähigkeiten, um das Wertloseste auf den höchsten Stand zu bringen (Kunst ist eines der wertvollsten Dinge, die ein Mensch zur Gesellschaft beitragen kann) und zeige damit, wie willkürlich unser Sinn für Hierarchie geworden ist. Für mich ist dies eine Reflexion darüber, was es ist, heutzutage ein Menschen auf Erden zu sein. Ich arbeite daran, alle Annahmen zu untersuchen, damit ich sie dekonstruieren kann und die Machtmechanismen aufzudecken, die wir vielleicht bereit sind, loszulassen – für das Wohl des Lebens auf der Erde.

„Wir sind im Wesentlichen ein seltener Mikroorganismus im großen Plan der Dinge. Aus astronomischer Sicht gesehen haben wir Glück, überhaupt am Leben zu sein.“

 

Ich freue mich, dass meine Arbeit auch den Dialog um kreative Verantwortung in der akademischen Welt an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft entfacht. Dies trägt dazu bei, Trennungen in Bezug auf das Vertrauen der Menschen in sich selbst zu überwinden, ihrem Glück zu folgen, ihre Neugier zu erforschen, ernsthaft zu spielen, die Art und Weise, wie unsere gemeinsame Umwelt behandelt wird, persönlich und individuell zu bestimmen, unsere Macht anzuerkennen und zu nutzen, um effektive Agenten für positive Veränderungen in der realen Welt zu sein – während wir uns gleichzeitig an Handlungen beteiligen, die über unser persönliches Wohlbefinden und Verständnis hinausgehen, und so unser Bewusstsein erweitern.

 

*Photos courtesy of Aurora Robson

+ Words: Alejandra Espinosa, Luxiders Magazine Editor

 
 

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.