
Aus den Steppen auf die Straßen: Der Aufstieg der zentralasiatischen Mode in London
Ein subtiler, aber bedeutender Wandel vollzieht sich in Londons Modeszene: Das Design Zentralasiens beginnt, sich bemerkbar zu machen. Mit kräftigen Farben, kunstvollen Textilien und jahrhundertealtem Handwerk bringen Designer aus der Region eine frische Perspektive in die britische Hauptstadt — tief verwurzelt im kulturellen Erbe, aber zugleich klar auf zeitgenössischen Stil ausgerichtet.
Von Taschkent bis Bischkek – eine wachsende Zahl kreativer Köpfe übersetzt die visuelle Sprache ihrer Heimat in Kleidungsstücke, die beim modebewussten Publikum von heute Anklang finden. In London wird ihr Einfluss zunehmend sichtbar – von Pop-up-Ausstellungen in Shoreditch bis hin zu sorgfältig kuratierten Kleiderstangen in unabhängigen Boutiquen. Der Reiz liegt in der Mischung: traditionelle Silhouetten und Handwerkskunst, kombiniert mit moderner Leichtigkeit und Tragbarkeit.
Dieser aufkommende Trend wird unter anderem durch die zentralasiatische Diaspora in London angetrieben, die über Mode nach Wegen sucht, sich wieder mit ihren Wurzeln zu verbinden. Gleichzeitig passt er zu größeren Entwicklungen in der Branche – hin zu ethischer Produktion, zurückhaltender Kleidung und bisher unterrepräsentierten Perspektiven.
Die in Taschkent ansässige Designerin Kamola Rustamova verkörpert diese kulturelle Verbindung. Ihr Label Azukar Moreno vereint usbekisches Handwerk mit Elementen spanischer Tracht – denken Sie an Ikat-Stoffe, die zu Flamenco-inspirierten Kleidern verarbeitet werden, oder an bestickte Jacken mit dramatisch strukturierten Ärmeln. Das Ergebnis ist eine Kollektion, die zugleich global und zutiefst persönlich wirkt.
Aus ihrem Studio in Usbekistan erzählt Rustamova von einer Kundin aus London, die ihr einmal sagte: „Ich habe noch nie in meinem Leben etwas so Leuchtendes getragen.“ Ein Kommentar, den sie häufig hört – und der die Einzigartigkeit ihrer Designs widerspiegelt. Ihre Arbeiten haben eine treue Anhängerschaft in der usbekischen Community Londons gefunden und bieten nicht nur eine Verbindung zur kulturellen Erinnerung, sondern auch eine mutige, ausdrucksstarke Alternative zu gängigen Stilrichtungen.
„Es ist etwas Ermächtigendes, die eigene Kultur zu tragen — besonders, wenn sie für die heutige Zeit neu interpretiert wurde“, sagt Rustamova.



Die in Baku ansässige Modedesignerin Natavan Aliyeva teilt eine ähnliche Sichtweise. Ihrer Meinung nach geht das wachsende Interesse an zentralasiatischer Mode über rein ästhetische Aspekte hinaus – es geht um kulturelle Verbundenheit. „Diese Motive haben etwas Wärmendes an sich“, sagt sie und verweist darauf, wie traditionelle Muster oft die lebendigen Landschaften und das reiche künstlerische Erbe der Region widerspiegeln.
Aliyeva ist überzeugt, dass die emotionale Kraft dieser Designs genauso stark ist wie ihre optische Wirkung. „Es ist wie ein Kokon – ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz – das in ihrer Schlichtheit liegt“, erklärt sie. Es sei eine sowohl taktile als auch psychologische Erfahrung, denn die natürlichen Stoffe und vertrauten Formen bieten nicht nur Stil, sondern auch stille Sicherheit.
Der Erhalt dieser Traditionen steht im Zentrum von Aliyevas Arbeit – und ist einer der Hauptgründe, weshalb sie sich überhaupt der Mode zuwandte. „Unsere Wurzeln sind eine Quelle der Stärke und des Stolzes“, sagt sie. „Sie erzählen die Geschichte dessen, wer wir sind.“
Laut der in Kirgisistan geborenen Modedesignerin Tolgonai Baira hat selbst der bescheidene Chapan inzwischen Bewunderer in den exklusivsten Kreisen Großbritanniens gefunden.
„Sogar Personen mit Nähe zur königlichen Familie haben Chapans bei uns bestellt“, verrät Baira. Ihr Atelier in Kirgisistan zieht weiterhin die Aufmerksamkeit diplomatischer Kreise und internationaler Kunden auf sich – ein stetiger Strom von Maßanfertigungen hält das jahrhundertealte Kleidungsstück gefragter denn je.
Während sich die Londoner Modeszene weiterentwickelt, tragen Stimmen wie ihre dazu bei, das Narrativ zu erweitern. Zentraleuropäische Mode mag noch im Entstehen begriffen sein – doch sie tut dies mit Selbstbewusstsein, Farbe und unverkennbarem Charakter. Bairas Beziehung zum Vereinigten Königreich ist mehr als geschäftlich – sie ist persönlich. „Ich habe 1999 kurzzeitig in London studiert“, erinnert sie sich. „London hat eine Spur in meinem Herzen hinterlassen.“ Ihre Zeit in der britischen Hauptstadt brachte sie nicht nur mit westlicher Ästhetik in Berührung, sondern vertiefte auch ihr Verständnis für den kulturellen Austausch, den Mode ermöglicht.
Dennoch ist Baira überzeugt, dass die westlich inspirierte Phase der Mode ihre kreativen Grenzen erreicht hat. „Dieser Modetrend hat sich erschöpft, weil die Entwürfe vor allem von europäischen Trends inspiriert waren“, sagt sie. Heute erkennt sie eine neue Welle – verwurzelt in den kräftigen Farben, filigranen Mustern und der historischen Tiefe zentralasiatischer Gestaltung.
„Deshalb richtet sich der Fokus nun auf zentralasiatische Länder“, erklärt Baira. „Es entstehen gerade viele neue Dinge.“ Tatsächlich interpretiert eine neue Generation von Designer:innen in Städten wie Bischkek, Almaty und Taschkent traditionelle Kleidung neu – für globale Laufstege und britische Kleiderschränke.
Für Londoner:innen, die auf der Suche nach Eleganz mit Bedeutung sind, könnten der Chapan und der Atlasstoff das ausdrucksstärkste Mode-Statement dieser Saison sein.



+ Highlight Image:
Courtesy by Kamola Rustamova
+ Words:
Fuad Alakbarov
Luxiders Magazine Contributor