
Zuhause als Lebenskonzept: Was steckt hinter dem Trend „Dwelling Home“?
Wohnen bedeutet mehr, als nur einen Raum zu bewohnen – es ist ein emotionaler und kultureller Akt, der tief in der menschlichen Natur verankert ist. Das Konzept des „Dwelling Home“ im Interior Design geht über reine Ästhetik hinaus und spiegelt einen ganzheitlichen Ansatz wider, der Identität, Nachhaltigkeit und Funktionalität miteinander verbindet. Inspiriert von Jahrhunderten sich wandelnder Wohnformen, reagiert dieser Trend auf die Bedürfnisse der heutigen Zeit, indem er Räume schafft, die das Wohlbefinden fördern und eine stärkere Verbindung zur Umwelt ermöglichen.
Die Vorstellung vom Zuhause als Zufluchtsort reicht bis in die Urgeschichte zurück, als die frühen Menschen Schutz vor den Elementen suchten. Mit dem Aufkommen der Landwirtschaft wandelten sich nomadische Lebensweisen hin zu festen Wohnstätten, was zu immer komplexeren architektonischen und innenräumlichen Gestaltungen führte. Im Laufe der Zeit wurde das Zuhause zu einem Symbol kultureller Identität, beeinflusst von gesellschaftlichen Strukturen, technischen Entwicklungen und Umweltbedingungen.
Philosophen und Anthropologen wie Martin Heidegger und Marc Augé haben die tiefgreifende Verbindung zwischen Mensch und Wohnraum untersucht und betont, dass ein Zuhause mehr ist als nur ein physischer Ort – es ist ein Spiegel unserer Identität, ein Gefäß für Erinnerungen und ein Fundament für Beziehungen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu argumentierte zudem, dass der häusliche Raum unseren Alltag und unser gesellschaftliches Verhalten prägt – und somit die Art, wie wir wohnen, ein grundlegender Bestandteil unseres Daseins ist.

Pioniere des „Dwelling Home“-Interior Designs
Der Wandel hin zu einem bewussten „Dwelling“ im Interior Design wurde von visionären Architekten und Designer:innen geprägt. Le Corbusier, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der modernen Architektur, betonte Funktionalität und Raumoptimierung und prägte den Begriff „Wohnmaschine“. Seine Entwürfe ebneten den Weg für offene Wohnkonzepte, die natürliches Licht und Belüftung maximieren – Elemente, die auch heute noch zentrale Bestandteile eines durchdachten Wohnraums sind.
Im 20. Jahrhundert setzten sich Designer:innen wie Charlotte Perriand und Alvar Aalto für menschenzentrierte Innenräume ein, in denen organische Materialien und fließende Raumübergänge mit der Natur im Einklang stehen. Ihre Philosophie legte den Grundstein für die heutigen nachhaltigen und biophilen Designansätze.
Die neue Generation der Dwelling-Designer:innen
Moderne Interior Designer:innen und Architekt:innen definieren das Konzept „Dwelling Home“ neu, indem sie Umweltverantwortung, lokales Handwerk und emotionales Wohlbefinden in ihre Entwürfe integrieren. Zu den prägenden Namen dieser Bewegung gehören:
- Ilse Crawford. Bekannt für ihre menschenzentrierte Designphilosophie, schafft sie Innenräume, die Komfort, Haptik und natürliche Materialien in den Vordergrund stellen.
- Vincent Van Duysen. Ein Meister minimalistischer, aber warmer Innenräume, der Schlichtheit mit einem feinen Gespür für Texturen und Tageslicht kombiniert.
- Norm Architects. Das dänische Studio steht für sanften Minimalismus und gestaltet Räume, die beruhigend, funktional und stark auf das Nutzererlebnis ausgerichtet sind.
- Studio KO. Sie verbinden modernistische Ästhetik mit handwerklichen Techniken und achten dabei auf kulturelle und ökologische Integrität.
- Cristina Celestino. Sie vereint historische Stile mit zeitgenössischem Design und nutzt dabei oft nachhaltige Materialien.





Die Zukunft des Wohnens: Nachhaltigkeit und Wohlbefinden
Das zeitgenössische Konzept des „Dwelling Home“ wird von der Dringlichkeit nachhaltigen Wohnens angetrieben. Während Städte wachsen und Klimasorgen zunehmen, muss sich Interior Design hin zu energieeffizienten, umweltbewussten und naturintegrierten Lösungen entwickeln. Zu den wichtigsten Trends, die die Zukunft des Wohnens prägen, gehören:
- Biophiles Design: Integration von Indoor-Gärten, natürlichen Materialien und viel Tageslicht, um die Verbindung zur Natur zu stärken.
- Zirkuläres Design: Nutzung von wiederverwerteten, recycelten und lokal beschafften Materialien zur Minimierung der Umweltbelastung.
- Adaptive Wiederverwendung: Umwandlung alter Gebäude und Materialien in innovative, moderne Wohnräume.
- Passive Designstrategien: Verbesserung von Dämmung, Querlüftung und thermischer Masse zur Reduzierung des Energieverbrauchs.
- Intelligente und nachhaltige Technologien: Integration von Hausautomatisierung zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks.
Die Dwelling-Home-Bewegung ist mehr als nur ein Trend – sie ist ein notwendiger Wandel hin zu bewusstem Leben. Angesichts ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen ist es essenziell, neu zu denken, wie wir Räume gestalten und bewohnen. Durch die Umsetzung ganzheitlicher und umweltbewusster Innenarchitektur formen wir unsere Häuser – und danach formen sie uns.
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© Parsa Mahmoudi via Unsplash