Neo Fashion Awards | Wie NachwuchsdesignerInnen die Zukunft der Mode formen

 

 

Im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week präsentierte Neo.Fashion einmal mehr neue Talente der Mode- und Kreativlandschaft aus ganz Deutschland, die den Status Quo der Branche herausfordern und neu definieren wollen. Neo.Fashion wurde 2017 mit dem Ziel ins Leben gerufen, eine Drehscheibe und Plattform für aufstrebende ModedesignerInnen zu bieten. Seitdem hat sich Neo.Fashion zu einer zentralen Bühne entwickelt, die den Diskurs und das Bewusstsein rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche fördert und Fashion for Future zelebriert.

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Zwischen dem 6. und 8. September 2021 präsentierten 80 AbsolventInnen aus 13 Hochschulen Deutschlands ihre Arbeiten auf der Neo.Fashion.2021 einem breiten Fach- und Öffentlichkeitspublikum. Am Mittwoch, dem 8. September, fand die Veranstaltung ihren krönenden Abschluss mit der Premiere eines gänzlich neuen Formats. Bei der "Best Graduates' Show & Awards" zeigten die besten Absolventen jeder Hochschule ihre Kollektion einer siebenköpfigen Jury in den Fabrikhallen des Kraftwerks Berlin. Die drei Gewinnkategorien waren: "Best Design", "Best Sustainable Concept" und "Best Craftsmanship" für die beste handwerkliche Leistung.

 

DIE ABSCHLUSSKOLLEKTIONEN

Wenn wir uns alle Kollektionen ansehen, scheint es, als ob der Lockdown und die Isolation - in der viele der Kleidungsstücke entstanden sind - keineswegs kreative Entwürfe und Experimente unterbunden haben. Vielleicht waren der Eskapismus und der ungezwungene Spirit, nach dem wir uns während der Lockdowns gesehnt haben, stattdessen Anlass, um umso mehr in unverfrorenen, expressiven Kreationen zu schwelgen.

Zweifellos schreckt diese Generation von DesignerInnen nicht vor schöpferischen Experimenten und Innovation zugunsten einer verbesserten Modeindustrie zurück. Wir begrüßen dies allzu gerne, während wir aus unseren vier Wänden hervorkriechen im wechselnden Takt zwischen verschiedenen Loungewear-Sets.

 
 
 
 

ZU SEHEN AUF DEM LAUFSTEG

Konventionelle Formen und Silhouetten von Kleidungsstücken werden in Frage gestellt und neu definiert; und üblicherweise für Kleidung verwendete Materialien werden neu erfunden. Wir sehen ausladende Stränge von Kissen auf dem Laufsteg, die kunstvoll miteinander verflochten und verwoben sind, um ein extravagantes Kleid zu bilden. Die Natur dient gleichermaßen als Inspiration wie auch als buchstäbliches Designelement, und wir sehen ein hageres Kleid, das von Kopf bis Fuß aus beigefarbenen Nylonstrumpfhosen, Shapewear und Nippelpads besteht.

Uns fällt außerdem das diverse Model-Ensemble sehr positiv auf, von dem die Looks präsentiert werden.

 
 
 
 
 

DIE PREISTRÄGERINNEN

Wir gratulieren allen AbsolventInnen und den drei ausgezeichneten GewinnerInnen: Aylin Tomta, Absolventin der Fachhochschule Bielefeld, deren Fähigkeit der zeitlosen, reduzierten Formgebung und raffinierten Linienführung den Preis für die "Best Craftsmanship" einbrachte und auch uns in ihren Bann gezogen hat. Die Arbeiten von Flora Taubner, Absolventin der Burg Giebichstein Kunsthochschule Halle und Gewinnerin des Preises "Best Design", wirkten beinahe wie eine Kollektion von Kunstwerken. Alle ihre Looks schienen auf subtile Weise eine gesellschaftskritische Botschaft zu enthalten. Nehmen wir zum Beispiel ihr dekonstruiertes, rigoros zerknittertes Kleid, aus dem sich ein sorgfältig gefaltetes Herrenhemd aus dem Rumpf herausschält. Eine Anspielung auf unser unachtsames Konsumverhalten und den Drang zum Neukauf, während sich die Kleidungsstücke in unseren Kleiderschränken stapeln?

 
 
 
 
 
 

BEST SUSTAINABILITY CONCEPT: INTERVIEW MIT PAUL KADJO 

Der Preis "Best Sustainability Concept" geht an Paul Kadjo, Absolvent der Akademie für Mode und Design (AMD) Hamburg, der sich zum Ziel gesetzt hat, Narrative rund um Mode, Nachhaltigkeit und Ethik in der Branche zu hinterfragen und kürzlich auch sein gleichnamiges Label "Paul Kadjo" gegründet hat. Für seine Abschlusskollektion wählte er einen radikalen Ansatz des Upcyclings.

Er spricht mit uns über den Versuch, Mode zu kreieren, ohne den Planeten ein zweites Mal zu beanspruchen, und darüber, wie die Notwendigkeit, nachhaltige Kleidung zu entwickeln, eine Chance und ein Motor für Kreativität und Innovation sein kann. ''Die Suche nach nachhaltigeren Lösungen und Ideen, wie man Kleidungsstücke zukunftsfähig gestalten kann, inspiriert mich sehr'', erzählt er. Er ist der Meinung, dass es unerlässlich ist, neue Methoden und Materialien in Betracht zu ziehen, um die Herausforderungen, mit denen die Branche konfrontiert ist, zu bewältigen.

Seine Abschlusskollektion "PAUL KADJO Artisan - The Spirit Between Bodies and Objects" sowie der Kern seiner Marke beruhen auf ganzheitlichem Upcycling. Durch die Verwendung von Secondhand werden knappe natürliche Ressourcen, Treibhausgasemissionen und die Beanspruchung durch die Produktionssysteme der Industrie, die enorme Belastungen für die Ökosysteme der Umwelt darstellen, eingespart. Paul Kadjo geht mit dem Upcycling von Secondhand-Kleidung noch einen Schritt weiter, indem er alles verwendet, was seine Nähmaschine bewältigen kann. ''Für die Beschaffung von Materialien wollte ich mich auch außerhalb der Modeindustrie umschauen", sagt er. Den Stoff für die Jacke, die er während des Gesprächs trägt, stammt zum Beispiel von einem alten Sofa", erzählt er; aber auch alte Plastiktüten finden in seinen Kreationen eine neue, vorzeigbare Verwendung.

Der in Hamburg ansässige Designer, der in Deutschland geboren und in der Elfenbeinküste aufgewachsen ist, zeigt in seiner handgearbeiteten Abschlusskollektion Identität und Handwerk. Seine Entwürfe verkörpern eine klare Botschaft der Inklusivität und des Arbeitens im Einklang mit der Umwelt. Mit seinem Label möchte er Teil einer "grüneren, faireren Modeindustrie" sein und das Bewusstsein und die Diskussion zugunsten eines systematischen Wandels in der Modewirtschaft fördern. Aus dem Bestreben, "interkulturelle, nachhaltige Mode für alle Geschlechter" herzustellen, möchte Paul Kadjo Raum für Mode "frei von Vorurteilen und frei von Rassifizierungen" schaffen.

''Ich möchte Mode herstellen, die einen Mehrwert in sämtlichen mehrdimensionalen Schienen der Nachhaltigkeit im Modesystem bietet", sagt er und betont, wie sehr er sich geehrt fühlt, heute diese Anerkennung für seine Arbeit erhalten zu haben.

 

ABSCHLIESSENDE GEDANKEN

Wir sind erfreut zu sehen, dass diese Generation von aufstrebenden DesignerInnen die Modewelt mit Nachdruck angeht und sich für einen positiven Wandel in der Branche einsetzt. Die Türen hin zu optimierten Praktiken und Materialien öffnen sich, und wir sehen, wie angehende - und etablierte - ModeschöpferInnen das Thema Nachhaltigkeit an die Spitze der Agenda rücken. Diese Modeenthusiasten zeichnen ein positiveres Bild von der Zukunft einer Branche, die dringend Veränderungen bedarf - was uns gespannt sein lässt auf das, was kommt.

 
 

+  Words:

Sarah Leonie Brodersen
Luxiders Magazine