Virtuelle Influencer | Die Vor- und Nachteile von Robotern in deinem IG-Feed

Stell dir einen bildschönen humanoiden CGI-Avatar vor, der seinen eigenen Instagram-Account hat um dir Kleidung und Accessoires zu verkaufen. Auch wenn das klingt, als käme es direkt aus einem Science-Fiction-Film, sind virtuelle Influencer genau das und haben seit 2016 eine echte Online-Präsenz geschaffen, die Millionen von engagierten Followern generiert und gleichzeitig die Reichweite von Marken auf der ganzen Welt erhöht. Aber ist die Integration unserer digitalen Gegenstücke auf Social Media bloß ein cooler Schritt in die Zukunft oder steckt mehr hinter diesem Phänomen?

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Einer der Gründe, warum Influencer-Marketing heutzutage so viel an Einfluss gewonnen hat, ist dass es dem Marketing ein Gefühl der menschlichen Verbindung verleiht. Influencer ziehen ein Publikum mit gemeinsamen Werten und Interessen an, welches ihnen im Laufe der Zeit vertraut. Dies ist von unschätzbarem Wert für Marken, die ihre Reichweite vergrößern möchten, da der Aufbau von Vertrauenswürdigkeit eine der größten Hürden beim Gewinnen neuer Kunden ist. Zudem ermöglicht Marketing durch Influencer mit Gleichgesinnten in Verbindung zu treten.Diese Verbindungen fördern das Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl und können zu einem allgemeinen Wohlbefinden beitragen.

Dies gilt auch für virtuelle Influencer. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass ihre Vorlieben und Interessen hinter den Kulissen strategisch vorbestimmt sind, um von einem ausgewählten Markt zu profitieren. Miquela Sousa (@lilmiquela), die als erste virtuelle Influencerin bekannt geworden ist, liebt trendige High-End-Kleidung, eingängige Popmusik und die neuesten elektronischen Geräte – eine perfekte Mischung aus Waren, die für ihre überwiegended Gen Z Follower vermarktbar sind. Wenn man jedoch über das Team von Leuten nachdenkt, die die Fäden hinter Sousas Persönlichkeit ziehen, wird einem die persönliche Verbindung zwischen Follower und Influencer für Marketingzwecke bewusst. Dieses Bewusstsein kostet dem Influence-Engagement ihre anfängliche Magie. Zumindest offenbart Sousa auf ihrem Instagram-Profil und in ihren Posts, dass sie ein „Roboter“ und kein wirklicher Mensch ist. Dadurch sind sich ihre Follower (theoretisch) bewusst, dass sie sich nicht mit einer realen Person verbinden. Es gibt jedoch keine Gesetzgebung, die eine Offenlegung erfordert. Daher könnten virtuelle Influencer-Teams, sich als echte Personen aus Fleisch und Blut ausgeben. Vielleicht sind sie bereits da draußen und führen uns hinters Licht.

© Balmain

Dieser Gedanke wird noch unangenehmer, wenn wir den Fall eines Avatars betrachten, der als farbige Person erscheint, während sein Schöpfer hellhäutig ist. Shudu (@shudu.gram) ist zum Beispiel ein virtueller Influencer und „das erste digitale Supermodel der Welt“. Sie wird als wunderschöne dunkelhäutige Frau dargestellt, die seit ihrer Entwicklung im Jahr 2017 viele Menschen innehalten ließ. Nicht nur, weil ihre Schönheit überirdisch ist, sondern vor allem, weil ihr Schöpfer ein der weiße, britische Fotograf Cameron-James Wilson ist. Der Schriftsteller Bolu Babalola nannte Shudu ein Bild, das „von einem weißen Mann erfunden wurde, der die ‚Bewegung‘ dunkelhäutiger Frauen bemerkt hat.“. Andere haben Wilson der Rassenenteignung beschuldigt. Zu seiner eigenen Verteidigung sprach Wilson mit Lauren Michele Jackson von The New Yorker und sagte: „Diejenigen, die sich wirklich die Zeit genommen haben, mit mir über meine Beweggründe zu sprechen, verstehen, dass ich es nicht geplant habe von jemandem zu profitieren.“. Zudem begrüßte Wilson die „Debatte und Diskussion“, die Shudu bisher durch ihre virtuellen Existenz ausgelöst hat. Auch wenn seine Absichten gut gemeint waren, ist die Kritik an Shudu immer noch gültig und sollte als Warnung bei der Schaffung zukünftiger virtueller Influencer dienen, um schwerwiegendere Vergehen zu vermeiden.

Ein weiterer problematischer Aspekt von virtuellen Influencern ist das Kreieren von Schönheitsstandards, die im wahrsten Sinne unerrichbar sind. Social-Media-Nutzer tuen sich selbst schon schwer genug damit, natürliche Models von stark geschminkten, chirurgisch veränderten und digital bearbeiteten zu unterscheiden, was oftmals das Selbstwertgefühl auf die Probe stellt. Dadurch ist es offensichtlich, dass menschliche Abbildungen die aus unmenschlich perfekten Pixeln bestehen, ein Minenfeld für Vergleiche darstellen. Während einige virtuelle Influencer vollständig CG sind, werden andere durch das „Verbessern“ menschlicher Modelle mit Grafiken erstellt – könnte die Avatar-Erstellung nur eine Verkleidung für die neueste Iteration der Fotobearbeitung sein? Man kann nur abwarten, wie sich die Dinge entwickeln, da virtuelle Influencer an immer mehr unerwarteteren Ortenauftauchen und Social-Media-Nutzer sich ihrer Präsenz immer bewusster werden.

 
Virtuelle Influencer sind aber sicherlich nicht alle schlecht. Tatsächlich sind sie für die Marken und Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, ideale Botschafter. Ein großer Teil ihres Reizes esteht daraus, dass ihre Inhalte personalisierbar sind. Diese Anpassbarrkeit eröffnet endlose Möglichkeiten für eine kreative und nahtlose Produktintegrationen. Es gibt gibt keinen Ort den virtuelle Influencer nicht erreichen können und nichts was sie nicht tun könnten. Zum Besipiel haben Marken wie Balmain ihre eigene „virtuelle Armee“ von Influencern für einen maximalen Markenzusammenhalt geschaffen. Laut Andrew Dunst, Fize Präsident des Marketing- und Softwarekonzerns Sage Group, in einem Interview mit WWD , „beseitigt das Arbeiten mit virtuellen Influencern PR-Risiken, da dass Verhalten menschlicher Influencer sich auf die Kundschaft auswirken könnte. Alles, was virtuelle Influencer tun, wird von den Leuten kontrolliert, die dieses Konto verwalten.“. In einer Zeit, in der die Cancel Culture noch sehr real ist und große und nachhaltige Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung einer einflussreichen Person haben kann, ist es von Vorteil, mit einem Influencer zusammenzuarbeiten, der immer tut, was ihm gesagt wird.

Überraschenderweise sind virtuelle Influencer nicht nur eine Bereicherung für Marken – sie können auch einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Virtuelle Influencer kombinieren das Beste aus beiden Welten. Da sie nicht im realen Raum existieren, benötigen virtuelle Influencer keine physischen PR-Produktmuster, um gesponserte Inhalte zu erstellen – Stattdessen kann man sie Produktbilddateien oder digitalisierte 3D-Versionen von Kleidung „tragen“ lassen. Dies bedeutet eine finanzielle und ökologische Einsparung in Bezug auf die Materialien und die Herstellung dieser Musterkleidung sowie die Kohlenstoffemissionen durch den Versand dieser Proben an die Botschafter. Ebenso können wir die hohe Sichtbarkeit virtueller Influencer als Vorteil betrachten, wenn es darum geht, die digitale Modebranche in den Mainstream Markt einzugliedern. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der virtuelle Influencer als Models für digitale Modemarken arbeiten. Das hat gewissermaßen schon bei Shudu angefangen, die trotz ihrer Kontroversen durchgehend über zweihunderttausend Follower auf Instagram hat. Wie andere virtuelle Influencer hat sie oftmals digitalisierte Versionen von Designerkleidung getragen, da es für sie unmöglich ist, physische Kleidungsstücke zu tragen. Da digitale Mode noch eine sehr junge Branche ist, kann der Einsatz bekannter virtueller Influencer wie Shudu als Models dazu beitragen, das Bewusstsein hrer Existenz zu schärfen und damit auch ihre Umweltvorteile bekannt machen.

Wie wir sehen, gibt es viele Nuancen, wenn es um Marketingmaschinen geht, die wir virtuelle Influencer nennen. Obwohl es berechtigte Bedenken hinsichtlich mangelnder Transparenz, Aneignung und unrealistischer Schönheitsstandards gibt, gibt es auch neues Potential für kreatives und umweltverträgliches Marketing. Wir können nur hoffen, dass die Menschen hinter den virtuellen Influencern gewissenhaft und respektvoll gegenüber der Verantwortung und den Möglichkeiten bleiben, die mit ihnen verbunden sind, während mehr und mehr virtuelle Influencer in die Welt eingeführt werden.

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