Wie nachhaltig ist Stella McCartney?

 

Eines der ersten News, die kurz vor Weihnachten 2019 auf der Website von Stella McCartney veröffentlicht wurden, war eine Sensation, denn die Marke hatte den ersten veganen Stan Smith-Sneaker entwickelt.

 
 
Seit 2001, Stella eröffnete ihre eigene Marke in einem Joint Venture mit der Gucci Group (jetzt Kering Group), setzt sie sich für eine cruelty-free Produktion und eine ethische Philosophie ein. Dies betraf direkt die Verwendung von Leder, Pelz, Häuten und Federn innerhalb ihrer gesamten Kollektionen. Dies war zu dieser Zeit ein mutiger Schritt, aber die Marke behielt diese Handlungsmaxime bei und entwickelte sich jedes Jahr kontinuierlich weiter.
 
Dabei verfolgte die Marke einen ehrlichen und bewussten Ansatz unter Verwendung von nicht biologisch abbaubaren Kunststoffen aus Acryl, Polyester, Wolle und Mohair.
 
Mit dem von der Kering-Gruppe erfundenen Environmental Profit and Loss Tool misst Stella McCartney seit 2012 die Auswirkungen auf das Business. Jeder Prozess des Geschäfts wird anhand der Rohstoffe, des Herstellungsprozesses und des Verkaufs in den Filialen gemessen. Das Tool misst die Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Wasserverschmutzung, die Landnutzung, die Luftverschmutzung und die Abfälle in der gesamten globalen Lieferkette und übersetzt sie dann in einen Geldwert, wobei die versteckten Kosten und Vorteile jedes Vorgangs erfasst werden. Diese Erkenntnisse fördern die Innovation des Unternehmens und tragen zu besseren und nachhaltigeren Entscheidungen bei.
 
In den letzten Jahren waren der Name und die Marke von Stella mit nahezu allen nachhaltigen Modeereignissen, Konferenzen, Innovationen und einer Zusammenarbeit in der Branche verbunden. In vielen Interviews möchte Stella die Modebranche in eine Ära führen, in der sie und ihr Team sich den Herausforderungen stellen und Grenzen überschreiten, um luxuriöse Produkte auf eine Art und Weise herzustellen, die in die Welt von heute und morgen passt: großartig und nachhaltig, ohne Kompromisse.
 
 
 
 
 

Das Hauptaugenmerk der Marke liegt darauf, viel in Zirkularität, innovative Materialien und modernste Technologien zu investieren, um die Umweltbelastung der Marke zu verringern.

 

Vegetarisches Leder: Seit 2013 verwendet die Marke Alter-Nappa für Schuhe und Taschen. Dieses Material besteht aus Polyester und Polyurethan mit einem Träger aus recyceltem Polyester. Die Beschichtung besteht zu über 50% aus Pflanzenöl, einem nachwachsenden Rohstoff. Durch die Umstellung der Polyurethane auf wasserlösliche und lösungsmittelfreie Polyurethane ist die Arbeit für Menschen sicherer und die Energie- und Wasserintensität gering. Gleichzeitig hat man sich mit Leder aus dem Labor befasst, um den fortschrittlicheren Umgang mit Materialien zu ermöglichen.
 
Kaschmir: Obwohl reines Kaschmir nur 0,1% aller vom Unternehmen verwendeten Materialien ausmachte, waren 42% der gesamten Umweltbelastung im Rohstoffstadium auf Kaschmir zurückzuführen - etwa das 100-fache von Wolle. Infolge dieser Messung stellte das Unternehmen die Verwendung von reinem Kaschmir ein und verwendete Re.Verso ™, recyceltes Kaschmir, das in Italien aus Post-Factory-Kaschmirabfällen hergestellt wird. Bis 2016 konnten sie die Auswirkungen trotz größerer Mengen an Kaschmir auf 11% reduzieren. Die Verwendung dieses innovativen Materials zeigt, dass sie sich der zirkulären Mode verschrieben haben, das regenerierend wirkt.
 
Viskose: Ein weiteres Schlüsselmaterial, ist durch einen Aktionsplan gestützt, der dafür sorgt, dass Wälder die zurBeschaffung der Materialien dienen geschützt werden. Jedes Jahr werden 150 Millionen Bäume abgeholzt, um Viskosestoff herzustellen. Ab der Frühjahrskollektion 2017 stammt die gesamte gebrauchsfertige Viskose aus nachhaltig bewirtschafteten und zertifizierten Wäldern in Schweden. Das Thema Entwaldung ist wichtig für die nachhaltige Aussage von Stella McCartney, da es einer der Haupttreiber des Klimawandels ist und die Ursache für den Verlust von Lebensräumen für Millionen von Arten ist, sobald die Wälder beschädigt sind. Diese Arten hätten nicht überlebt, wenn sie ihre Heimat verloren hätten.

 

 
 
 
 
 
 

Heute ist die Viskose-Lieferkette der Marke vollständig rückverfolgbar, transparent und zwischen Schweden, Deutschland und Italien komplett europäisch. Der gesamte Weg der Viskose des Unternehmens führt über die Beseitigung von Chemikalien, die Einbeziehung von Energieeffizienz und die Durchsetzung von Nachhaltigkeitsvorschriften. Das Unternehmen hat eine Partnerschaft mit Canopy geschlossen, um Schutzlösungen für die vom Aussterben bedrohten Wälder voranzutreiben. Der nächste logische Schritt, wird die Entwicklung von ausschließlich recycelten Cellulosefasern sein.

 

Metalle: Die Marke verwendet jedes Jahr zwischen 10 und 15% Metalle. Der größte Teil der Metalle wurde für die Falabella-Beutelketten aus Messing verwendet. Obwohl man insgesamt eine geringe Menge an Metall verwendet, hat diese kleine Menge trotzdem größte Auswirkungen. Im Jahr 2016 waren 13% der gesamten Umweltbelastung auf die Verwendung von Metallen und den toxischen Abbauprozess von Kupfer zurückzuführen. Kupfer zersetzt sich in der Umwelt nicht so stark, sodass es in den Boden- und Wasserquellen rund um Minen vorkommt. Die Marke bietet auch Ketten aus Edelstahl und Aluminium mit geringerem ökologischen Fußabdruck und nachhaltigeren Beschichtungsverfahren an. Die Marke kommuniziert, dass die Produkte auf Langlebigkeit ausgelegt sind, und Messing als kostbares Material macht den kostenlosen Reparaturservice zu einem unvermeidlichen Schritt.
 
Bio-Baumwolle: Ermöglicht die Schaffung von Produkten, die die Umwelt schützen und die Bedingungen der Landwirte verbessern. Dieses landwirtschaftliche System eliminiert die Verwendung giftiger und persistenter Chemikalien, verbessert die Bodengesundheit und erhöht den Wasserschutz. Dies erklärt, warum die Marke im Laufe der Jahre den Anteil an zertifizierter Bio-Baumwolle in ihren Kollektionen erhöht hat. Heute sind 61% der Baumwolle als Bio-Baumwolle zertifiziert. Die Marke treibt dies weiter voran und arbeitet daran, die Rückverfolgbarkeit der Baumwolle auf Betriebsebene zu verbessern, da 94% der Baumwolle, die die Marke verwendet, auf das Herkunftsland zurückgeführt wird.

 

Recyceltes Nylon und Polyester: Das Ziel der Marke besteht darin, die Verwendung von neuem Nylon in diesem Jahr zu beenden, indem auf regeneriertes ECONYL®-Nylon umgestellt wird. ECONYL® macht Abfall zu einer Ressource. Industriekunststoff, Abfallstoffe und Fischernetze aus den Ozeanen werden recycelt und zu einem neuen Nylongarn regeneriert, das genau die gleiche Qualität aufweist wie reines Nylon.
 
Der Großteil des recycelten Polyesters auf der Welt wird aus recycelten Plastikwasserflaschen hergestellt. Das Team von Stella McCartney sucht und unterstützt neue Technologien, die es ihnen ermöglichen, Polyestergewebe wieder zu Geweben zu verarbeiten, da derzeit nur 1% der Textilien wieder zu Textilien verarbeitet werden. Das Team glaubt, dass es Zeit für die Modebranche ist, sich mit dem eigenen Abfall zu befassen. Obwohl die Marke seit 2012 für ihr Taschenfutter Gewebe aus recyceltem Polyester verwendet, zielt die Marke erst ab 2025 darauf ab, vollständig auf recyceltes Polyester umzuschwenken. Dies ist fünf Jahre später im Gegensatz zum recycelten Nylon, da die Technologie zur Erreichung dieses Ziels noch nicht nachhaltig und zirkulär verfügbar ist.

 

2017 ging die Marke eine Partnerschaft mit Parley for the Oceans ein, um das Bewusstsein für den Schutz der Ozeane zu schärfen und die Verschmutzung der Meere durch Plastik zu bekämpfen. Im Rahmen ihrer Mission zur Bekämpfung von Meereskunststoffen wurden zwei neue Produkte aus Parley Ocean Plastic ™ entwickelt: der Adidas Ultra BOOST X von Stella McCartney und der Falabella GO-Rucksack „Ocean Legend“.

 

 
 
 
 
Seide: Im Laufe der Jahre verwendete das Unternehmen eine Mischung aus traditioneller Seide und Peace Silk. Peace Silk wird im Wesentlichen wie handelsübliche Seide hergestellt. In diesem Fall können die Seidenraupen jedoch auf natürliche Weise aus ihren Kokons austreten. Obwohl Peace Silk Seidenraupen keinen Schaden zufügt, tauchten im Laufe der Jahre viele Probleme auf. Es war schwierig, die Qualität und Quantität von Peace Silk zu garantieren, die für die Herstellung der Markenprodukte benötigt wurden.

 

Da das Unternehmen stets nach neuen Wegen sucht, Nachhaltigkeit hervorzuheben und gleichzeitig schöne Produkte zu schaffen, war eine Partnerschaft mit dem Technologie-Innovator Bolt Threads naheliegend. Bolt Threads ist ein Biotechnologieunternehmen, das die nächste Generation von Materialien hervorbringt und die Zukunft der Seide verändert. Man untersuchte die Seide, die Spinnen herstellen, und replizierte diese Prozesse. Das Ergebnis ist vegane Seide mit bemerkenswerten Eigenschaften, einschließlich hoher Zugfestigkeit, Elastizität, Haltbarkeit und Weichheit, mit geringeren Auswirkungen auf die Umwelt bei der Herstellung, die im geschlossenen Kreislauf unter Verwendung umweltfreundlicher chemischer Verfahren produziert wird.

 

Wolle: Stella McCartney verwendet Wolle, da es eines der natürlichsten Materialien der Welt ist. Es hält den Träger warm, atmet aber auch und hat antibakterielle Eigenschaften, sodass kein häufiges Waschen erforderlich ist. Andererseits kann Wolle nur dann wirklich nachhaltig sein, wenn sie weder dem Planeten noch Tieren oder Menschen Schaden zufügt. Aus diesem Grund hat Stella McCartney als erste in der Mode das Gold-Level-Cradle-to-Cradle-Zertifikat für eines der am häufigsten verwendeten Wollgarne erhalten.
 
2018 sponserte die Marke gemeinsam mit PETA, ein Biodesign Challenge, für tierfreie Wolle. Eine Ermutigung für Teilnehmer weltweit, biofabrizierte vegane Wolle zu entwickeln. Die besten Ergebnisse wurden auf der MOMA in New York City präsentiert. Die Gewinner aus Bogota, Kolumbien, entwickelten Woocoa-Wolle aus Hanf und Kokosfasern, die mit Enzymen aus Austernpilzen behandelt wurden.

 

Neben diesen enormen Investitionen vergisst die Marke nicht die Menschen hinter den Kleidungsstücken und Produkten. Auch hier stellt man sicher, dass die Menschen, von denen die Marke abhängt, zufrieden sind und in ihrer Lieferkette von Anfang bis Ende mit Respekt und Würde behandelt werden. Die einzige Möglichkeit für Stella McCartney, heute als Modeunternehmen erfolgreich zu sein, besteht darin, moderne und belastbare Lieferketten aufzubauen, die wünschenswerte Arbeitsplätze bieten, die Fähigkeiten der Menschen fördern, die Stimmen der Arbeitnehmer stärken und sich für schutzbedürftige Gruppen und Menschenrechte einsetzen.

 

Stella McCartney ist seit 2012 Mitglied der Ethical Trading Initiative und berichtet jährlich über alle Aktivitäten und Fortschritte im Verhaltenskodex des Unternehmens. Die Initiative stützte ihren Arbeitskodex auf die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Seit 2016 meldet die Marke außerdem jährlich eine Erklärung zur Sklaverei gemäß dem im Jahr 2015 verabschiedeten britischen Gesetz. Neben der Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung müssen Unternehmen Transparenz wahren, um sicherzustellen, dass in ihren Betrieben oder Lieferketten keine moderne Sklaverei existiert.

 

Die Marke hat im Jahr 2016 die Kontrolle über ihre Lieferkette übernommen und ihre Hersteller und Produktlieferanten bis hinunter zu Tier 2 weltweit abgebildet. Um Einblicke zu gewinnen und Informationen über die ethischen Bedingungen ihrer Hersteller und Lieferanten zu sammeln, führt die Marke regelmäßige und unangekündigte Audits durch, um potenzielle Risiken zu identifizieren. Das Team unterstützt und führt ein offenes Gespräch mit seinen Lieferanten und beteiligt sich an Schulungen für Lieferanten. Treten Probleme auf, werden die Lieferanten aufgefordert, sich an Verbesserungsprojekten zu beteiligen. Hier werden die Ursachen analysiert und ein Mechanismus entwickelt, der verhindert, dass solche Probleme erneut auftreten. Einige dieser Projekte werden in Zusammenarbeit mit anderen Marken und lokalen Interessengruppen durchgeführt, um die Wirkung zu maximieren. Alle diese Aktionen unterstreichen die Bedeutung, die Stella McCartney auch dem Humankapital beimisst, das Teil ihrer Markengeschichte ist.
 
 

+ Worte: Danielle Keller Aviram

Danielle Keller Aviram ist eine nachhaltige Schmuck- und Modeforscherin, Beraterin und Designerin. Sie absolvierte einen Master of Arts mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit in der Mode bei AMD Berlin, nachdem sie ihren Bachelor in Schmuck- und Accessoire-Design in "Shenkar" Tel Aviv gemacht hatte. Nach ihrem B.A. hatte sie 5 Jahre lang ihre eigene internationale Marke für edlen Schmuck.

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